Coole Konzepte für Energie auf dem Land
Oikocredit-Partner Ecozen bietet indischen Landwirt*innen unter anderem transportable Kühlhäuser.
Transportable Kühlhäuser unter dem Namen „Ecofrost“ sind nur eines der Produkte, mit denen der neue Oikocredit-Partner Ecozen die Landwirtschaft in Indien verbessern will. Das siebtgrößte Land der Erde braucht innovative Lösungen für einen rasant wachsenden Energiebedarf. Dass davon auch Bäuerinnen und Bauern sowie ganze Wertschöpfungsketten profitieren, ist Ziel ihrer Zusammenarbeit, erläutern Kiran Kodi, Renewable Energy Manager für Oikocredit India und Vivek Pandey, Mitgründer von Ecozen im Gespräch.
Mitten in der Pandemie hat Maanaveeya, das Tochterunternehmen von Oikocredit in Indien, neue Partnerorganisationen gewonnen. Wie ist die Arbeit unter Pandemiebedingungen möglich?
Kiran Kodi: Glücklicherweise ist es uns gelungen, trotz Covid-19 und der damit verbundenen Schwierigkeiten weiterzuarbeiten, obwohl es komplette Lockdowns über mehrere Monate gab. Während der Höhepunkte des Pandemiegeschehens haben wir Kreditrückzahlungen ausgesetzt und unsere Partner auf alle denkbaren Arten unterstützt. Betroffen waren und sind alle. Geschäfte, Familien, ganze Gemeinschaften, viele Menschen aus unserem eigenen Büro waren infiziert. Mit der Zeit haben wir gelernt, damit umzugehen. Momentan gibt es immer noch viele Infektionen, aber es müssen weniger Menschen ins Krankenhaus. Wir arbeiten überwiegend im Homeoffice, können aber für Treffen mit Kund*innen und Partnern unter Schutzmaßnahmen auch unser Büro nutzen. Reisen durchs Land sind kaum möglich. Trotzdem haben wir Kontakt mit neuen Partnerorganisationen aufgenommen und Workshops durchgeführt. Via Video ist es möglich, nicht nur auf allen Ebenen zu kommunizieren, sondern sogar die Produktion kennenzulernen und zu verfolgen.
Besonders im Fokus sind neue Partner im Sektor erneuerbare Energien. Welche Strategie steckt dahinter?
Kiran Kodi: Sich für erneuerbare Energien einzusetzen ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Maanaveeya hat dieselben Schwerpunkte wie Oikocredit insgesamt: inklusives Finanzwesen, Landwirtschaft und erneuerbare Energien. Das Portfolio von Maanaveeya im Dezember 2021 umfasste 142 Millionen Euro, sechs Prozent davon sind aktuell in erneuerbare Energien investiert. Diesen Anteil möchten wir in den kommenden Jahren deutlich steigern, auf mindestens 20 Prozent. Wir investieren in Energieunternehmen, die Projekte im Offgrid- und Ongrid-Bereich umsetzen, momentan sind es sechs Partner. Ecozen Solutions beispielsweise bietet Energielösungen für bäuerliche Betriebe an. Fourth Partner Energy und Oakridge Rooftops bieten Energielösungen für den kommerziellen und industriellen Sektor. Cygni Energy bietet Offgrid-Lösungen. E-hands Energy versorgt kleinere, abgelegene Banken und Mikrofinanzorganisationen mit Solaranlagen für die Energieversorgung, damit sie zuverlässig arbeiten können. Ein anderer Partner, Gayam Motor Works, vertreibt und verleiht Elektrofahrzeuge für den „Last Mile“-Güterverkehr. Momentan treiben wir die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen voran, die neue Technologien für die Landwirtschaft und ganze Wertschöpfungsketten anbieten.
Ein vielversprechender neuer Partner, der in genau diesem Bereich aktiv ist, ist Ecozen.
Kiran Kodi: Ecozen erfüllt alle Kriterien, die für uns als Oikocredit entscheidend sind. Das junge Unternehmen agiert an der Schnittstelle zweier wichtiger Bereiche: erneuerbare Energien und Landwirtschaft. Neue Produkte zu entwickeln und herzustellen kostet enorm viel Zeit und Geld. Ecozen war auf der Suche nach Finanzierungen für mehr Betriebskapital. Über einen ihrer anderen Investoren, der ähnlich wie wir arbeitet, sind wir in Kontakt gekommen und haben rasch beschlossen, Ecozen eine Kreditlinie zur Verfügung zu stellen. Das erste Darlehen hat Ecozen Anfang 2021 ausgezahlt bekommen, inzwischen haben wir bereits ein weiteres vereinbart. Mit unserem anderen Schwerpunkt inklusives Finanzwesen sehen wir uns zudem als Expert*innen für maßgeschneiderte Finanzierungsmodelle. Da können wir Ecozen gut beraten und unterstützen. Gute Finanzierungsmodelle für Endkund*innen haben eine immense soziale Wirkung, nur darüber können sich auch kleinbäuerliche Betriebe innovative Produkte leisten.
Vivek Pandey, Sie sind einer der drei Gründer von Ecozen. Mit welcher Motivation sind Sie gestartet?
Vivek Pandey: Wir haben Ecozen 2010 noch zu Studienzeiten gegründet und uns nach unserem Abschluss ganz auf das Unternehmen konzentriert. Wir waren zuallererst Ingenieure, die den Zustand der Landwirtschaft im Land und das große Potenzial der Wertschöpfung in diesem Bereich sehr deutlich erkennen konnten. Innovationen im Bereich erneuerbare Energien erreichten damals selten den ländlichen Raum, noch heute ist das so. Wir haben zunächst viele Beteiligte entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten befragt. Dabei stellten wir fest, dass die Landwirtschaft immer noch stark vom Regenfeldbau abhängig ist – also Feuchtigkeit nur aus Niederschlägen gewinnt und ohne künstliche Bewässerung auskommt –, und es an Infrastruktur für die Nachernte-Bewirtschaftung fehlt. Die größte Hürde ist die Energieversorgung der Betriebe. Zwar wurde Solarenergie damals zunehmend populär in den Städten, zur Beleuchtung von Straßen, Haushalten und Unternehmen, aber in der Landwirtschaft war nicht viel davon zu sehen.
Wie haben Sie auf diese Beobachtungen reagiert? Welche Lösungen bietet Ecozen an?
Vivek Pandey: Als erstes haben wir Motoren für Solarpumpen entwickelt: Ecotron. 60.000 bis 70.000 solcher Motoren und Kontrollgeräte sind über das ganze Land verteilt seit 2014 im Einsatz. Bald wurde deutlich, dass das Problem der Landwirt*innen durch solargetriebene Bewässerung allein nicht gelöst ist. Sie brauchen die Möglichkeit, ihre Produkte zu lagern. Zum einen funktionieren die Wertschöpfungsketten nicht so schnell, dass garantiert alles frisch ist, wie der Markt es verlangt. 30 Prozent der Obst- und Gemüseernten in Indien verderben, weil die Kleinbäuerinnen und -bauern keine Möglichkeiten haben, die Produkte bis zum Weitertransport und zum Verkauf frisch zu halten. Zum anderen sind die Landwirt*innen ohne Lagermöglichkeiten abhängiger von Preisschwankungen und können mit dem Verkauf nicht warten, bis sie bessere Preise erzielen.
Wir haben also ein solarbetriebenes mobiles Mini-Lagerhaus für Obst und Gemüse entwickelt: Ecofrost. Es ist so konzipiert, dass es tragbar ist und äußerst energieeffizient funktioniert. Ecofrost wird mit einer umfassenden technischen Lösung geliefert, die eine mobile App für den Betrieb, die Fernüberwachung, die Ferndiagnose und die vorausschauende Wartung umfasst. Für sonnenlose Zeiten gibt es einen 36-Stunden-Energiespeicher, der einen einheimischen patentierten thermischen Energiespeicher verwendet, der im Vergleich zu Batterien weit wirtschaftlicher und effizienter ist. Mehrere Sensoren im Gerät geben alle nötigen Auskünfte, ermöglichen, dass man das Kühlhaus individuell einstellen kann. Die Zentrale bei Ecozen überwacht, dass alles gut funktioniert und nichts verdirbt, sie berechnet optimale Lagertemperaturen je nach Lagerware und informiert über aktuelle Marktpreise. Ecofrost hat viele nationale und internationale Preise bekommen. Wir bieten jetzt dasselbe Technologie-Paket mit mehreren Varianten für die gesamte Lieferkette verderblicher Waren an. Ecoconnect ist unser drittes Produkt: Eine Online-Plattform, auf der alles vernetzt wird, Informationen für Bäuerinnen und Bauern, Marktpreise, Anbautipps und vieles anderes mehr.
Auf welchen Wegen erreicht Ecozen die Endkund*innen in den ländlichen Regionen?
Vivek Pandey: Wir verkaufen unsere Solarpumpenprodukte an Firmen, Großunternehmen und kleine Organisationen, die sich mit der Installation von Solarpumpen beschäftigen. Wir versorgen sie mit Motoren und Pumpenreglern. Alle anderen Teile der Solarsysteme, wie beispielsweise Solarmodule, können sie von anderen Unternehmen kaufen. Wir haben ein großes Netzwerk von Unternehmen, um die Landwirt*innen zu erreichen. Ähnlich verhält es sich mit den Kühlsystemen, bei denen wir mit Partnerorganisationen wie den Erzeugerorganisationen der Landwirt*innen, Händlern und Verteilern mit lokaler Reichweite und mit Unternehmen der Lieferkette zusammenarbeiten. Wir haben dafür zwei Geschäftsmodelle: Das Verkaufsmodell und ein Leasing-/Mietmodell, bei dem wir mit Finanzorganisationen zusammenarbeiten, um das Produkt für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten für Landwirt*innen und ein bis drei Jahre für Unternehmen anzubieten. Das funktioniert sehr gut für die Bäuerinnen und Bauern, weil viele von ihnen saisonale Landwirtschaft betreiben.
Was erwartet Ecozen von der Zusammenarbeit mit Oikocredit?
Vivek Pandey: Neben der Finanzierung für mehr Betriebskapital und der Möglichkeit, gemeinsam neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle entwickeln zu können, ist ein weitere Vorteil für uns, dass wir einen Partner haben, der weltweit präsent und vernetzt ist. Oikocredit ist stark in Ländern Afrikas vertreten. In den letzten Jahren haben wir angefangen, unsere Produkte auch in afrikanische Länder, beispielsweise nach Kenia, Uganda, Namibia und andere zu verkaufen. Das Potenzial und die Nachfrage dort sind groß, da kann Oikocredit mit ihren Kenntnissen, ihren lokalen Fachleuten und ihren eigenen Partnerorganisationen in afrikanischen Ländern äußerst hilfreich für uns sein.
Der Energiebedarf in Indien steigt mit Wirtschaftswachstum und Verstädterung rasant. Die Rede ist von einer Verdoppelung bis 2040. 52 Prozent der Energie wird noch aus Steinkohle gewonnen. Angesichts der Tatsache, dass sich Indien im Kontext der Pariser Klimaziele verpflichtet hat, 40 Prozent des Stromverbrauchs bis 2030 aus nicht fossilen Energiequellen zu produzieren, eine immense Herausforderung, die viel Kapital erfordert. Gute Zeiten oder schlechte Zeiten für Oikocredit angesichts des großen Wettbewerbs?
Kiran Kodi: Das Gute ist: Die natürlichen Ressourcen für erneuerbare Energien in Indien sind ausgezeichnet. Wir haben Land, Sonne, Wind. Das Potenzial für Solarenergie ist besonders groß, es entspricht dem gesamten aktuellen Energieverbrauch. Die indische Regierung hat ein ambitioniertes Programm, den Anteil an erneuerbaren Energien zu steigern. Dazu müssen Technologien, politische Rahmenbedingungen und Finanzierungen Hand in Hand gehen. Das funktioniert in Indien recht gut und der Sektor ist entsprechend attraktiv für Investoren. Es gibt also viel Wettbewerb, ja, aber auch jede Menge Möglichkeiten und Notwendigkeiten, in erneuerbare Energien zu investieren.
Größere Unternehmen können mit den Banken kooperieren, für kleinere wie Ecozen ist die Zusammenarbeit mit Organisationen wie Oikocredit viel vorteilhafter. Zumal wir entscheidende Vorzüge haben. Wir sind schneller. Wir sind offen für unterschiedliche Strukturen und Arten von Finanzierungen und können auf individuelle Bedürfnisse der Kundschaft eingehen, beispielsweise Leasingmodelle anbieten, was für traditionelle Banken nicht so einfach ist. Wir unsererseits sind wählerisch. Uns interessiert, wie die Arbeit eines Unternehmens die Lebensbedingungen von Menschen verbessert. Elektrizität ist normalerweise sehr teuer in Indien, aber auch der Umstieg auf solare Energie ist aufwendig und kostspielig. Daher bleiben viele der kommerziellen Industrien bei herkömmlicher Energieversorgung. Wir wenden uns an kleinere Unternehmungen, die eine große soziale Wirkung haben. Wir wollen vor allem eins: Bezahlbaren, sauberen Strom für Menschen in ländlichen Gebieten.
Archiv > 2022 > März
- 31. März 2022 - Coole Konzepte für Energie auf dem Land
- 24. März 2022 - Ehrenamtliche Dolmetscher*innen für Bildungsprojekt gesucht!
- 22. März 2022 - Drei Jahre MyOikocredit!
- 08. März 2022 - Die Stärkung wirtschaftlich benachteiligter Frauen als Auftrag von Oikocredit
- 04. März 2022 - Eine Reise des Herzens: Besuch des Teesetzling-Projekts in Ruanda